Das Projekt
Entsammeln statt sammeln: ist das erlaubt?
Ja, Entsammeln ist erlaubt und ein wichtiger Bestandteil der Sammlungspflege. Für das Entsammeln gibt es jedoch ethische Richtlinien des International Councils of Museums (kurz ICOM). So sollen entsammelte Gegenstände beispielsweise weder entsorgt, noch verkauft werden. Im Idealfall lässt sich ein spezialisiertes Museum finden, welches die Objekte übernimmt. Dort sind sie am richtigen Ort und bleiben der Öffentlichkeit zugänglich.
Warum entsammeln wir?
Beim Wort Ortsmuseum denken wir schnell an Heugabeln und Leinenhemden. Sie gehören quasi zur Grundausstattung und genau darin liegt ein Teil des Problems. Es gibt zahlreiche kleine Museen, viele haben dieselben Objekte in der Sammlung.
Seit der Gründung der ortsgeschichtlichen Sammlung 1953 trugen verschiedene Kuratoren Gegenstände aus Horgen und darüber hinaus zusammen. Auch Leinenhemden und Heugabeln. Nach 70 Jahren ist eine beachtliche Menge an Büchern, Waffen, Spielzeug, Fotos, Werkzeugen, Küchengeräten, Uhren, Textilien, Archivalien und vielem mehr zusammengekommen. Insgesamt dürften es um die 30’000-50’000 Objekte sein. Etwa die Hälfte ist in einer Datenbank erfasst. All diese Gegenstände waren über die Jahre auf verschiedene Depots sowie im Sust-Gebäude verteilt. Ein Teil wurde dort in der Ausstellung präsentiert, der andere in zahlreichen Winkeln und Ecken des alten Gebäudes verstaut. Mit dem Umbau 2020 und 2021 brachte das Sust-Team all diese Gegenstände in einem Zwischenlager unter mit dem Ziel, diese in einem zentralen Sammlungsdepot zusammenzuführen. Während dieser Arbeit stellten wir fest, dass zahlreiche Gegenstände mehrfach vorhanden sind, einige Objekte in sehr schlechtem Zustand sind und wir von anderen wiederum die Geschichte nicht kennen.
Diese Gegenstände sollen die Sammlung des Museums nun verlassen, damit wir uns mit den nötigen Ressourcen um die wirklich bedeutsamen Objekte kümmern können.
Wie entsammeln wir?
Entsammeln ist ein heikles Thema und war lange Zeit ein Tabu in der Museumswelt. Aus diesem Grund besuchten wir vorgängig zu unserem Entsammlungsprozess zwei Schweizer Museen, die diesen Schritt bereits gewagt haben: das Bernische Historische Museum sowie das Regionalmuseum Chüechlihus. Letzteres wagte mit dem Projekt entsammeln.ch etwas Neues. Das Konzept des öffentlichen Entsammelns überzeugte uns so sehr, dass wir diese Idee übernahmen und auf das Sust Museum Horgen anpassten. Als Grundlage für unser Projekt dient ein Sammlungskonzept, welches den aktuellen Zustand der Sammlung beschreibt und festhält, welche Objekte und Objektkategorien wir sammeln und welche nicht. Zusätzlich erarbeiteten wir eine Entsammlungsstrategie, welche den Prozess des Entsammelns festhält.
Wer entscheidet, was entsammelt wird?
In der gegenwärtigen Situation ist das Entsammeln eine grosse Herausforderung und zugleich eine dringende Notwendigkeit. Die Herausforderung besteht darin, dass zahlreiche Objekte noch in Kisten schlummern und der grosse Überblick fehlt. Die Notwendigkeit ist dadurch bedingt, dass hochkarätige Objekte wie Seidenkleider derzeit nur ungenügend geschützt sind. Die beiden Kuratorinnen haben aus diesem Grund verschiedene Objektkategorien wie beispielsweise Küchengeräte definiert. Alle Pfannen, Gläser, Wallhölzer und co. erfassten sie in einer Liste. Mithilfe dieser Zusammenstellung recherchierten sie gemeinsam mit dem Freiwilligenteam die Schenker*innen sowie weitere Informationen zu den Utensilien. Aufgrund der Resultate trafen die Kuratorinnen eine Auswahl für die
Entsammlung, die sie im Gremium der Museumsleitung besprachen und anschliessend dem gesamten Stiftungsrat vorlegten. Noch lebende Schenker*innen sowie bekannte Nachkommen wurden über die Entsammlung informiert und hatten die Möglichkeit, die entsammelten Objekte zurückzunehmen.
Nun geht es darum, alle seitens Museum aus der Sammlung entlassenen Gegenstände der Öffentlichkeit zu präsentieren. Damit soll jeder und jede die Möglichkeit haben, in spezifischen Fällen ein Veto gegen die Entsammlung einzulegen. Dieser Widerspruch kann beispielsweise dadurch begründet sein, dass jemand die Geschichte eines Objektes kennt, welche uns bislang unbekannt war. Museumsleitung und Stiftungsrat prüfen jedes Veto und entscheiden abschliessend darüber, ob ein Gegenstand zurück in die Sammlung geht oder diese definitiv verlässt.
Warum verkaufen wir die Objekte nicht?
Ein Verkauf von Objekten aus musealen Sammlungen ist möglich, aber umstritten. Der Erlös dürfte ausschliesslich wieder für die Sammlungsarbeit investiert werden. Als Museum sind wir auf dieses Geld angewiesen. Gleichzeitig möchten wir keine Gegenstände verkaufen, welche uns mit der Absicht und der Annahme geschenkt wurden, dass diese im Museum verbleiben.
Auch teilen wir die Meinung, dass das Kulturerbe allen Menschen zugänglich sein soll. In erster Linie geben wir daher Objekte an andere Museen ab. Auf diese Weise gelangte beispielsweise bereits eine Sammlung von Plakaten vom ersten Weltkrieg an das Museum für Gestaltung in Zürich. Darüber hinaus soll jeder und jede die Möglichkeit haben, ein Stück Geschichte zuhause zu haben. Deshalb zählt für uns die kreativste Bewerbung und nicht das höchste Angebot.
Wie läuft das Projekt ab?
14. September bis 1. Dezember 2024
Ab dem 14. September stehen in der Sust alle bisher entsammelten Gegenstände zur Besichtigung bereit. Jeder und jede kann sich mit einer Bewerbung auf diese Objekte bewerben. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, ein Veto gegen die Entsammlung eines spezifischen Gegenstandes einzulegen. Gehen keine Widersprüche ein, gelten die Objekte ab 1. Dezember als definitiv entsammelt.
1. Dezember 2024 bis 14. März 2025
Nun ist bekannt, welche Gegenstände das Museum definitiv verlassen. Es besteht weiterhin die Möglichkeit, Bewerbungen zu schreiben. Dabei lohnt es sich, kreativ zu werden, um unsere Jury bestehend aus dem Freiwilligenteam zu überzeugen.
31. März
Die Jury bestehend aus unserem Freiwilligenteam hat entschieden, wer neuer Besitzer oder neue Besitzerin der ausgeschiedenen Objekte wird. Das Museumsteam informiert alle Bewerber*innen, ob Ihre Eingabe erfolgreich war oder nicht.
13. April 2025
Die neu bestimmten Besitzer*innen der können die aussortierten Gegenstände im Museum abholen.
Wer steht hinter dem Projekt?
Wie geht es weiter?
Nach dem Entsammeln ist vor dem Entsammeln. Im Depot der Sust sind nach wie vor viele Objektkategorien, die wir sichten und aussortieren müssen. Damit möchten wir im Herbst 2026 in eine zweite Entsammlungsrunde starten.